„AIAs einfach komplex?“ – Nachgefragt Interview mit Dipl.-Ing. Robert Schmid

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Aus der Interview-Reihe „Nachgefragt“ zum Thema „AIA“ mit Dipl.-Ing. Robert Schmid, Leit- und Zentralstelle für Building Information Modeling – ZBIM

 

Robert Schmidt BIM-experte AIA

 

BE: Guten Tag Herr Schmid, es freut uns, dass Sie Zeit für uns und unsere Leser haben. Zum Einstieg die typische Kennenlernfrage auch an Sie. Sie sind ein alter “Hase“ im BIM und vor allem in Bayern eine feste Größe als Experte. Sie waren viele Jahre in der CAD-Stelle Bayern aktiv. Was ist Ihre Tätigkeit jetzt?
RS: Hallo und vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview. Derzeit arbeite ich als Sachbereichsleiter Hochbau an der Landesbaudirektion Bayern in der Leit- und Zentralstelle für Building Information Modeling. Hier kümmere ich mich inzwischen um die Implementierung der Methode BIM. Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt auf Konzeptentwicklungen für die Zukunft. Fragestellungen, wie und warum die Implementierung nicht ganz so schnell läuft, wie erwartet oder sind geschaffene Grundlageninformationen noch nicht ausreichend für die Projektabwicklung ausgelegt, prägen meine tägliche Arbeit.

BE: Vielen Dank. Wie kommen Sie zu Ihrer Tätigkeit? Was ist Ihre Geschichte und Hintergrund zum BIM-Experten?
RS: Gerne gebe ich einen kleinen Einblick darüber, wie meine BIM Geschichte begann und was meine Aufgaben in der ehemaligen CAD-Stelle waren. Am Ende meines Studiums der Architektur an der Technischen Universität in München habe ich begonnen, erste 3D-Modelle
in CAD zu entwickeln. Also eine reine 3D Repräsentation der Entwurfsidee. Ein wenig Textur, eine schöne Lichtstimmung und schon war die Lust auf mehr da. Nach dem Studium holte mich die harte Architekturrealität ein und es hieß erstmal zu verstehen, was es bedeutet, sich auf die „wesentlichen Dinge“ zu konzentrieren. Entwurfsideen skizzieren, unter hohem Zeitdruck in 2D Pläne überführen, Details entwickeln, notwendige Anpassungen des Entwurfs vornehmen und die Änderungen schnell und effizient in alle Darstellungen übernehmen. Trotzdem habe ich angefangen, komplexere Bauvorhaben parallel in 3D zu modellieren. Erst aus Volumenkörpern, um die Entwurfsidee besser verstehen zu können und später mit Bauteilen, um besser differenzieren zu können. Ich habe mich daraufhin entschlossen, ein kleines Architekturbüro zu gründen und habe mich in der Folge mit kleineren Planungen, 3D-Bestandsmodellierungen, Visualisierung und Layout beschäftigt.

BE: Alle Grundlagen also. Wie ging es bei Ihnen weiter?
RS: Als der „Ruf der CAD-Stelle“ kam, konnte ich mich dann vollumfänglich dem Thema CAD und sehr schnell dem Thema BIM widmen. 2009 startete unser erstes BIM Projekt mit der US-Army. Die sehr ausgeprägten FM-Anforderungen, die über IFC und die Schnittstelle Cobie2 bereitgestellt werden sollten, erforderten eine steile Lernkurve in der CAD-Stelle. Seither beschäftigte ich mich in der CAD-Stelle mit Themen wie modulare Attribut Templates (heute LOIN), BIM im Bestand, visuelle Programmierung und Programmierungen zur Überführung von 3D Daten in die Virtual Reality. Ab 2017 wurde die CAD-Stelle von einem Bauamt an die Landesbaudirektion Bayern verlegt. Ab diesem Zeitpunkt lag der Schwerpunkt auf der Implementierung von BIM in der Bauverwaltung. Daher habe ich mich in dieser Zeit viel um Implementierungsmaßnahen und davon abhängige Kosten gekümmert, bevor ich dann in die Strukturierung der vertraglichen Randbedingungen eingestiegen bin. Über Muster AIAs, BAP Leitdokumente, Strukturierung von Anwendungsfällen und deren Abhängigkeit zu den Leistungsbildern. Heute leite ich den Sachbereich Hochbau an der ZBIM.

BE: BIM hat sich über viele Jahre verändert. Wie sieht es mit der BIM-Wahrnehmung und Akzeptanz in der Verwaltung aus?
RS: BIM hat sich tatsächlich verändert. Wo gestern BIM eine Kostenreduktion auf allen Ebenen versprochen hat, liegen heute Zahlen vor, die belegen, dass BIM die Planung nicht kostengünstiger macht. Stetig neue Begriffe prägen die BIM Welt.  Leider auch immer wieder sich ändernde Begriffe. Als Beispiel LOD. LOD war ein gesetzter verständlicher Begriff. Mit der Einführung des LOIN war LOD nicht mehr klar zuordenbar. Weiter hat die Anzahl der Ausarbeitungen zum Thema BIM in den letzten Jahren enorm zugenommen. Leider sind ältere Werke im Zuge der Digitalisierung nicht mehr vollumfänglich empfehlenswert. Auch Normen müssen in regelmäßigen Abständen hinterfragt und aktualisiert werden. Trotz aller Vorteile von BIM sind es unter Anderem diese sich im Zuge der Digitalisierung verändernden Dinge, die in der Verwaltung immer wieder Fragen aufwerfen. Eine Verwaltung braucht eine gewisse Stabilität.
Neben Themen wie Nachhaltigkeit, Holzbau, GIS usw. ist BIM derzeit ein weiterer Rucksack – damit meine ich zusätzlich zu erstellende Dokumente, zusätzliche notwendige Abstimmungen, zusätzliche Schulungen also eine zusätzliche Aufgabe. Akzeptiert werden Dinge aus meiner Sicht nur dann, wenn sie integriert in meiner täglichen Arbeit für mich einen Mehrwert ergeben. BIM kann das. Derzeit liegen die Schwerpunkte der BIM-Anwendungen auf der Optimierung der Planung, was einer Verwaltung in Form von verbesserter Kommunikation im Projekt und erhöhter Qualitätssicherung auch zu Gute kommt, in der Wahrnehmung des Einzelnen in der Verwaltung aber nicht im Vordergrund steht. Es wird dann erst richtig interessant, wenn ich als Beschäftigter einer Verwaltung aus strukturierten Modelldaten spezifische Informationen für meine Arbeit in bearbeitbarer Form erhalte und daher weniger händische Arbeit verrichten muss. Das ist der Weg von BIM in die Verwaltung.

BE: Private und öffentliche Bauherren starten ihre ersten Schritte mit BIM mit einem Lastenheft für BIM, dem AIA (Auftraggeberinformationsanforderungen). Diese Anforderungen sind unserem Verständnis nach oft sehr häufig komplex. Sehen Sie das auch so?
RS: Ja, mein erster AIA hatte den Anspruch, abhängige Prozesse von Fachplaner zu Fachplaner zu beschreiben. Mein erstes Muster brachte es auf stolze 150 Seiten. Genauso stolz war ich auch darauf. Interne Hinweise führten zu einer Reduktion, die ich sehr unwillig vornahm. Damals war die Devise – je mehr, umso besser. Auch heute noch wird diese Sichtweise von einigen Bauherren vertreten.

BE: Welche Schwierigkeiten ergeben sich aus Ihrer Sicht daraus?
RS: Zu komplexe AIAs führen bei potentiellen Auftragnehmern teilweise zu Ablehnung. Unerfahrene Anbieter reagieren mit Angstzuschlägen, wenn sie denn überhaupt anbieten. Erfahrene Marktteilnehmer lassen sich ungern Prozesse diktieren. Jede notwendige Veränderung der eigenen Prozesse bieten diese Unternehmen mit entsprechenden Kostenfaktoren an. BIM wird also insgesamt teurer als möglicherweise nötig.
Andere AIAs sind sehr rudimentär aufgebaut. Die Angebote für die undefinierten Leistungen schwanken daher in den Projekten enorm. Günstig Anbietende, die meist den Zuschlag erhalten, stellen schnell fest, dass sie nur über Nachträge auskömmlich arbeiten können.

BE: Was ist ein guter AIA? Worauf ist zu achten?
RS: Ein gesundes Mittelmaß mit klar definierten Randbedingungen (Besprechungen, Qualitätssicherungsmaßnahmen, Softwareumgebung etc.) und expliziten kalkulierbaren Lieferleistungen könnte der Weg zu einer marktakzeptierten Lösung sein. Weniger (nicht zu wenig) ist manchmal mehr.

BE: Ok. Nehmen Sie auch wahr, dass BIM-Angebote zum Beispiel in der Planung überteuert sind? Wenn ja, wie äussert sich das genau?
RS: Wir erhalten Angebote, die teilweise 15% BIM Mehrkosten in Bezug auf die Planungsleistung aufweisen. Wenn Sie das meinen.

BE: Genau das. Worauf ist dieser Effekt aus Ihrer Sicht zurückzuführen?
RS: Wie schon erwähnt, sind Angebote eine Antwort auf die Anforderungen der Bauherren. Sind Anforderungen unklar beschrieben oder sind konträr der eigenen Prozessabwicklung definiert, äußert sich das in Kosten.

BE: Was ist Ihre Empfehlung an die anderen Bauherren, um das zu vermeiden?
RS: Projekte müssen schlüssig aufgesetzt werden. Das heißt, dass Bauherren im ersten Schritt verstehen müssen, wie sie selber von der BIM-Methode profitieren können. Diese Analyse ist – wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann- nicht ganz einfach.
Schritt 2 ist es, eine realistische Definition möglicher BIM-Anwendungen und daraus resultierende Liefergegenstände festzulegen.
Im dritten Schritt müssen harmonisierte AIAs und Leistungsbilder erstellt werden, die es ermöglichen, seriöse Kosten von den Bietenden zu erhalten.

BE: Welche Tipps haben Sie an Planer und Ausführende für eine erfolgreiche Bewerbung für ein BIM-Projekt? Oft sind hier Unsicherheiten gegeben.
RS: Ich danke, Unsicherheiten resultieren eben genau in nicht klar definierten Leistungen. Es ist daher wichtig, bei nicht kalkulierbaren Leistungspositionen beim Auftraggeber nachzufragen, was genau darunter zu verstehen ist, um mit gutem Gewissen für Leistungen Preise festlegen zu können.

BE: Wir danken Ihnen für Ihre Zeit und die informativen Angaben.

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