Aus der Interview-Reihe „Nachgefragt“ – Chancen und Anforderungen der digitalen Weiterbildung heute.
mit den Professoren am Lab der OTH Regensburg in alphabet. Reihenfolge:
Prof. Dr.-Ing. Thomas Linner
Prof. Dr.-Ing. Mathias Obergrießer
Prof. Dr.-Ing. Marcus Schreyer
Prof. Dipl.-Ing. Florian Weininger
BE: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Interview genommen haben. Könnten Sie uns zunächst einen Überblick über das Building Lab, die aktuellen Schwerpunkte und Projekte geben? Was macht die Ausbildung hier besonders attraktiv und zukunftsorientiert?
Florian Weininger: Gerne. Das Building Lab beherbergt auf seinen vier Stockwerken mehrere Digitallabore. Am Design to Fabrication Lab der Fakultät Bau erforschen und nutzen wir digitale Planungs- und Fertigungsmethoden, um innovative und nachhaltige Lösungen für das Bauwesen zu entwickeln. Wir setzen Technologien wie 3D-Druck, CNC-Fräsen und Robotik ein, um parametrische Designs direkt in physische Prototypen oder Bauteile umzusetzen. Studierende und Forschende arbeiten hier interdisziplinär an Projekten, die digitale Prozesse mit nachhaltigen Materialien und ressourcenschonenden Bauweisen kombinieren. Das Lab dient dabei als Plattform für experimentelles Bauen.
Mathias Obergrießer: Im BIM2SIM Lab stehen die Automatisierung der Planungsprozesse und damit verbundenen Analysen und Simulationen im Mittelpunkt. Hier forschen wir an Prozesssimulationen und daran, wie wir diese Automatisierungen mit KI-Methoden weiter voranbringen können.
BE: Also Spielwiesen für Erwachsene…
Marcus Schreyer: Ein spielerischer Ansatz zieht sich tatsächlich durch viele unserer Kurse und Projekte. In anderen Labs im Haus liegt der Fokus zum Beispiel mehr auf der Kombination digitaler Methoden mit Arbeitsmethoden aus dem Lean Management oder der besseren Vernetzung von Planung, Bauausführung und Gebäudebetrieb. Studierende bekommen für diesen Mix an Technologie-, Methoden- und Bauwissen eine optimal ausgestattete Arbeitsumgebung angeboten, um zukünftige Arbeitsprozesse nicht nur theoretisch, sondern konkret an praxisnahen Aufgabenstellungen zu erlernen. Dabei wird Ihnen auch Raum gegeben, verschiedene Perspektiven einzunehmen und neues auszuprobieren.
BE: Das klingt sehr interessant, doch mittlerweile gibt es an einigen Hochschulen digitale Lehrstühle. Welche Alleinstellungsmerkmale hat das Building Lab der Technischen Hochschule Regensburg im Vergleich zu anderen Forschungseinrichtungen im Bereich Bauwesen?
Thomas Linner: Das Building Lab der OTH Regensburg hebt sich durch seine interdisziplinäre Zusammenarbeit, umfassende Ausstattung und hybride Nutzungsstruktur von anderen Forschungseinrichtungen im Bauwesen ab. Es dient als Innovationszentrum für die Digitalisierung des Bauens und bietet eine moderne Infrastruktur, die alle Bereiche des digitalen Bauens abdeckt, wie parametrische Planung, BIM, Robotik und KI. Zusätzlich wird durch praxisnahe Ausbildung ein enger Bezug zur Bauindustrie gefördert. Die Räumlichkeiten des Building Labs bieten nicht nur Platz für Forschung und Lehre, sondern auch für Veranstaltungen, Start-ups und Wohnmöglichkeiten für Studierende und Wissenschaftler, was den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis intensiviert.
Mathias Obergrießer: Die Grundidee des Building Lab ist es, den Studierenden aus dem Masterschwerpunkt „Digitale Methoden im Bauwesen und Bauprojektmanagement“ eine Lern- und Forschungsplattform bereitzustellen, auf der sie die Digitalisierung hautnah erleben können. Die Verzahnung der theoretischen Methoden und der praxisgerechten Anwendung dieser steht dabei im Fokus. Hierzu stehen ein Team aus vier Professoren und mehreren Assistenten ca. 850 m² Seminar- und Forschungsflächen zur Verfügung, die mit einer Vielzahl an innovativen Technologien vom Roboter bis hin zur Videowall ausgestattet sind. Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit, reale Projektbedingungen in drei Projekträumen zu simulieren, indem digitale und modellbasierte Projektbesprechungen zwischen dem Bauherrn, dem Planer und der Baufirma durchgeführt werden können. Aber auch die enge Verzahnung zur Bauindustrie spielt eine wichtige Rolle, sowohl bei der Umsetzung der Lehre als auch der angewandten Forschung.
BE: Diese Themenbreite sowie Ausstattung an Menschen und Technologien bietet sicher vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten für junge Ingenieurinnen und Ingenieure. Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sollten Studierende und Nachwuchsforscher aus Ihrer Sicht mitbringen oder erwerben, um in Zukunft erfolgreich zu sein? Welche Perspektive haben die Studierenden heute und was benötigen sie für einen erfolgreichen Alltag?
Florian Weininger: Studierende und Nachwuchsforscher*innen sollten zunächst solide Grundlagen in klassischen Bauingenieurfähigkeiten mitbringen, die im Bachelorstudium unserer Fakultät an der OTH Regensburg vermittelt werden. Diese bilden die essenzielle Basis, auf der weiterführende Kompetenzen in der Digitalisierung des Bauens aufgebaut werden können.
Darüber hinaus sind Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Projektmanagement und die Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung essenziell. Studierende sollten lernen, sich schnell in neue Technologien und Tools einzuarbeiten und diese kreativ sowie lösungsorientiert in Praxisprojekten anzuwenden.
Thomas Linner: Die Perspektiven für Studierende heute sind durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung des Bauwesens mehr als vielversprechend. Sie haben die Möglichkeit, mit hochmodernen Technologien und Methoden zu arbeiten und sind durch das praxisnahe Umfeld des Building Labs optimal auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts vorbereitet.
Mathias Obergrießer: Für einen erfolgreichen Alltag benötigen sie eine strukturierte Arbeitsweise, die Fähigkeit zur Priorisierung von Aufgaben sowie ein starkes Netzwerk, das durch die interdisziplinären Möglichkeiten des Building Labs gefördert wird. Das BLab bietet ihnen ein Umfeld, in dem sie nicht nur lernen, sondern auch innovative Ideen entwickeln und umsetzen können.
BE: Die Integration von solidem Grundwissen und dessen Anwendung in der Praxis ist in der Hochschullehre zumeist eine große Herausforderung. Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang aus Ihrer Sicht heutzutage die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Forschung und in der Ausbildung? Können Sie Beispiele für erfolgreiche Kooperationen nennen?
Florian Weininger: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist heute von zentraler Bedeutung in Forschung und Ausbildung, insbesondere in einem komplexen und technologiegetriebenen Bereich wie dem Bauwesen. Herausforderungen wie die Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Urbanisierung erfordern Lösungen, die Fachwissen aus verschiedenen Disziplinen integrieren.
Marcus Schreyer: Anders formuliert: Silodenken – also das fehlende Verständnis für die Abhängigkeiten in einem Bauprojekt – führt in der Regel zu hohen Baukosten, Verzögerungen, Qualitätsproblemen und Streitigkeiten. Mit unserem interdisziplinären Ansatz hoffen wir, auch einen Teil zum Kulturwandel hin zu mehr Kooperation in der Baubrache beizutragen.
Mathias Obergrießer: Für die teilnehmenden Studierenden besonders spannend sind in diesem Zusammenhang z.B. die mit der International Real Estate Business School IREBS der Universität Regensburg veranstalteten Projektarbeiten, bei denen Studierende des Bauingenieurwesens mit Immobilienwirten zusammen Lösungen für reale Bauprojekte entwickeln. Modelle und digitalen Methoden unterstützen hier zum einen die Kommunikation zwischen Ingenieuren und Immobilienexperten, zum anderen sind sie Grundlage für wirtschaftliche und technische Analysen. In diesem Jahr werden auch wieder die Architekten der OTH teilnehmen und die Projekte mit einer weiteren Perspektive bereichern.
Thomas Linner: Andere interfakultative Kurse werden bspw. im Rahmen des CyberCraft Kolleg und der Regensburg School of Digital Sciences (RSDS) von uns angeboten. Auch in der Forschung gibt es aktuell interdisziplinäre Kooperationen u.a. zu Themen der Baurobotik, Arbeitsergonomie oder 3D Druck, in die Bauingenieure mit Elektrotechnikingenieuren, Informatikern sowie Baustoffforscher eingebunden sind.
BE: Wie sehen Sie die Entwicklung und Integration von BIM in der Bauindustrie? Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich daraus für die Praxis? Was ist der Beitrag der Forschung in diesem Bereich?
Mathias Obergrießer: Das sind vielschichtige Fragen. Die Integration von BIM in der Bauindustrie bietet große Chancen wie verbesserte Effizienz, Transparenz, Nachhaltigkeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Allerdings stehen diesen Potenzialen Herausforderungen wie technologische Barrieren, fehlende Standardisierung, Widerstände gegen Veränderungen und komplexe Prozessanpassungen gegenüber. Die Forschung, wie am Building Lab der OTH Regensburg, spielt eine Schlüsselrolle, indem sie praxisorientierte Lösungen, neue Standards und innovative Technologien entwickelt. Sie trägt zudem durch die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte und die Förderung interdisziplinären Denkens zur Überwindung der Hindernisse bei und unterstützt die Bauindustrie, die Möglichkeiten von BIM voll auszuschöpfen.
BE: Hier möchte ich gerne etwas konkreter nachhaken: Inwiefern revolutioniert die Robotik das Bauwesen? Welche konkreten Anwendungen von Robotik sehen Sie als besonders vielversprechend und warum?
Thomas Linner: Hier geschieht derzeit sehr viel. Die Robotik revolutioniert das Bauwesen, indem sie nicht nur Effizienz und Präzision steigert, sondern auch als Antwort auf den zunehmenden Fachkräftemangel dient. Automatisierte Technologien übernehmen Tätigkeiten, die bislang von qualifizierten Arbeitskräften ausgeführt wurden, deren Verfügbarkeit jedoch durch demografische Veränderungen und geringes Interesse an traditionellen Bauberufen abnimmt. Besonders vielversprechend sind Anwendungen wie 3D-Druck und autonome Baumaschinen, da sie die Produktion und Montage beschleunigen und gleichzeitig Ressourcen schonen. Roboter für Inspektionen und Wartungsarbeiten tragen zudem dazu bei, die Sicherheit auf Baustellen zu erhöhen und menschliche Kapazitäten für anspruchsvollere Aufgaben freizusetzen. Durch diese Entwicklungen wird nicht nur der Fachkräftemangel abgefedert, sondern auch die Möglichkeit geschaffen, innovative Bauweisen zu realisieren und die Qualität von Bauprojekten zu steigern.
BE: Natürlich darf in diesem Interview das Thema Künstliche Intelligenz (KI) nicht fehlen. Wie kann diese die Prozesse in der Bauplanung und -ausführung optimieren? Können Sie Beispiele für aktuelle oder zukünftige Anwendungen nennen, die besonders innovativ sind?
Mathias Obergrießer: Die Künstliche Intelligenz (KI) kann Prozesse in der Bauplanung und -ausführung erheblich optimieren, indem sie datenbasierte Entscheidungen erleichtert, Risiken reduziert und die Effizienz steigert. In der Bauplanung ermöglicht KI die Analyse großer Datenmengen, um optimale Designlösungen zu entwickeln, Kosten und Zeitpläne präziser zu kalkulieren und potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren.
Marcus Schreyer: Die Nutzung von KI sehe ich auch eine weitere Chance, Abläufe zu automatisieren und damit die Produktivität der Baubranche, auch in Verwaltungs- und organisatorischen Bereichen, zu verbessern.
BE: Vielen Dank. Kommen wir zur vorletzten Frage. Welche Entwicklungen und Trends erwarten Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren in den von Ihnen erforschten Bereichen? Welche Visionen haben Sie für die Zukunft des Bauwesens?
Florian Weininger: In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird die Digitalisierung das Bauwesen weiter verändern. Building Information Modeling (BIM) wird zunehmend zum Standard und durch die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI), Robotik und Internet of Things (IoT) erweitert. Dies ermöglicht automatisierte, datengesteuerte Entscheidungen und verbessert die Effizienz und Präzision in Planung, Bau und Betrieb. Digitale Zwillinge von Gebäuden werden zunehmend genutzt, um den Lebenszyklus von Bauwerken zu optimieren, während intelligente Baustellen durch Sensorik und autonome Maschinen die Ausführung revolutionieren. Mit neuen Technologien können Materialien effizienter genutzt, Abfälle minimiert und Recyclingstrategien frühzeitig integriert werden. Datengesteuerte Prozesse ermöglichen die Optimierung von Energieverbrauch und CO₂-Bilanz über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes, während digitale Tools den Rückbau und die Wiederverwendung von Ressourcen erleichtern, wodurch die Kreislaufwirtschaft aktiv unterstützt wird.
BE: Wirkt sich das auch auf die Projektorganisation aus?
Marcus Schreyer: Ja, mit Sicherheit. Mit den technologischen Möglichkeiten werden sich auch die Organisationsformen, wie z.B. Projekte ausgeschrieben werden oder die Zusammenarbeit der Beteiligten abläuft, sowie die Prozesse weiterentwickeln. Es ist heute schon erkennbar, dass sich die Baubranche an vielen Stellen verändern muss, damit die Technologien ihre Potentiale entfalten können.
BE: Vielen Dank Ihnen allen für das informative und spannende Interview.