„Wir sind mit der Digitalisierung des Bauens mitten in den Mühen der Ebene angekommen“, Burkhard Talebitari, Ernst und Sohn

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Vier Fragen rund um BIM an Burkhard Talebitari,
Redaktion Sonderheft “BIM – Building Information Modeling 2016”,
Verlag Ernst & Sohn

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1. Herr Talebitari, vor drei Jahren war BIM noch nicht so allgegenwärtig wie heute. Ihr BIM-Heft war damals das erste im ganzen deutschsprachigen Raum. Wie kam die Idee dazu?
Ideen sind nie das Problem und die Idee zu einem BIM-Heft lag auf der Hand. BIM war vielleicht noch nicht in aller Munde, aber Thema war es ja längst. Geboren wurde die Idee auf den Vor-BAU-Informationsgesprächen in einer Plauderei mit Johannes Reischböck von BIM-Object. Als ich ihm vorschlug, ein Heft zum Thema zu machen, sprang er begeistert auf und dieser Sprung machte die Idee zum Ziel, das dann mit nicht wenig Überzeugungsarbeit und tatkräftiger Hilfe dabei – besonders von Johannes Reischböck und Michael Fritz vom BVBS – im Herbst 2013 Wirklichkeit wurde. Beinah drollig wirkt dabei heute übrigens die Frage, die damals noch oft zu hören war: Ein ganzes Heft zu BIM?
2. Wie ist Ihrer Meinung nach der Umgang der Medien heute mit BIM? Wo sehen Sie hier Herausforderungen und Chancen?
Die Herausforderung für alle Arten von Medien dürfte sein, das Thema wohlwollend kritisch zu begleiten. Allen neuen Methoden und Technologien wird hierzulande zumeist entweder euphorisch oder ablehnend begegnet. BIM-Nerds und BIM-Skeptiker – dazwischen sollte es Platz für eine entspannte Berichterstattung zum Thema geben, die sich vor allem zur Aufgabe macht, Vor- und Nachteile, Verbesserungen und Schwierigkeiten des Themas zu kommentieren und zu evaluieren, und dabei zu zeigen, dass es nicht um BIM, aber um die Digitalisierung geht, die – wie alle Lebensbereiche – eben nun auch den Bau erfasst – was die Frage nach den Chancen gleich mit beantwortet haben dürfte …
Zu erwähnen wäre aber dennoch auch die große didaktische Aufgabe, die den Medien in einer Situation zukommt, in der das Spektrum noch immer von der totalen Unkenntnis der drei Buchstaben bis zu Jenseits-BIM-Denken reicht. Einzelne Autoren nehmen diesen quasi Bildungsauftrag sehr ernst und schreiben auch gegen die mentale Schwellenangst an, sich auf das Thema einzulassen. Das BIM-Heft leistet hierbei auch seinen Beitrag …
3. Das Verständnis von BIM hat sich mit der Zeit geändert. Wo lag Ihrer Meinung nach der inhaltliche Interessensschwerpunkt vor drei Jahren im Vergleich zu heute?
Die Halbwertzeit des BIM-Wissens ist bemerkenswert. Schlagen Sie heute das erste Heft von 2013 auf, sind Sie schon mitten in Nietzsches alter Frage nach dem Nutzen und Nachteil der Historie … Im Editorial hieß es da noch „BIM ist keine Vision – BIM ist die Zukunft“ und über damals ja auch nicht mehr so neue 3D-Modelle wurde von manchem noch mit heißen Ohren geschrieben, obgleich sich zugleich schon die Erkenntnis durchzusetzen begann, dass BIM sich nicht in 3D-Modellen erschöpfe. Aber mit der These, dass BIM keine Software sei, hätte sich vielleicht sogar noch Eindruck schinden lassen können …
Nur vier Jahre später ergibt sich ein ganz anderes Bild, wobei man noch immer berücksichtigen sollte, dass der Ingenieurbau beim Thema nach wie vor far out ist, im Vergleich zu anderen Bereichen. Aber heute sind die heißen Ohren dem kühlen Kopf gewichen und wir sind mit dem Thema mitten in den Mühen der Ebene angekommen. Ging es 2013 tatsächlich noch – um es nochmal zu betonen: vor nur vier Jahren – um „ob und wann“ und „ob überhaupt“, sind jetzt zentral wichtige Fragestellungen nach Standards und Normen, nach der – Dauerbrenner … – Schnittstellenproblematik (brauchen wir einen GAEB für IFC?) an der Tagesordnung. Und das möchten Themen sein, die uns noch eine ganze Weile beschäftigen dürften …
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4. In diesen Tagen erscheint Ihr viertes Heft. Was sind die Schwerpunkte und Besonderheiten dieser Ausgabe und wie profitiert der Leser davon?
Die Schwerpunkte haben sich nur sehr bedingt geändert. Das Heft erhebt ja keinen Anspruch auf umfassende Darstellung, sondern nimmt sich aller aktuellen Aspekte des Themas Digitalisierung und ihrer Implikationen für die Technik, die Arbeit und das Arbeiten sowie die Änderungen, die auf uns zukommen an – und das in den verschiedenen Bereichen.
Wichtig ist dabei immer der das Heft aufmachende Schwerpunkt „BIM im Diskurs“, der das Thema aus verschiedenen, auch kritischen Blickrichtungen betrachtet und schon für sich in Anspruch nimmt, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf der Höhe der Debatte zu sein.
Spannend ist auch, was sich bei den Herstellern tut; wie diese auf je eigene Art das Thema für sich interpretieren und wie sie allmählich in den relevanten Objekt-Datenbanken Präsenz zeigen – oder eben noch nicht. Ein für meine Begriffe noch etwas wenig diskutiertes Thema ist dabei die Frage, was „BIM-readiness“ grade für so viele interessante mittelständische Unternehmen an Belastungen mit sich bringen kann. Das Heft spiegelt durch die wachsende Zahl an Beiträgen aus diesem Bereich auch Fragen rund um diese Entwicklung wider.
Erfreulich ist schließlich, dass der Tiefbau beim Thema BIM und allem, was damit zusammenhängt, nach Meinung mancher derzeit eine größere Dynamik als der Hochbau entwickelt, und das Heft spiegelt das auch ein wenig wider. Die Lesefrüchte hängen für den Leser des Heftes also nicht so hoch, wie in hehren wissenschaftlichen Abhandlungen, aber wer sie erntet, ist für dieses Jahr wieder auf dem Stand der Debatte – die, um das Wenigste zu sagen – spannend bleibt …
Vielen Dank Herr Talebitari!
 
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