“BIM ist Kooperation und Kommunikation – und das nicht sonntags zwischen zwei Buchsbäumen” – Nachgefragt Interview mit Burkhard Talebitari

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Aus der Interview-Reihe „Nachgefragt“ zum Thema ” BIM ist Kooperation und Kommunikation – und das nicht sonntags zwischen zwei Buchsbäumen”

mit Burkhard Talebitari , Ernst & Sohn

(seit 1.10.24 Freier Mitarbeiter bei Ernst & Sohn)

BIM ist Kooperation und Kommunikation – und das nicht sonntags zwischen zwei Buchsbäumen

Ohne BIM kein Bau. Das mag noch immer vollmundig klingen, wird aber immer wirklicher – und wirksamer in der Branche. Ein neues Planen, Entwerfen und Verwalten von Bauprojekten und ein neues Miteinander. Um die Markt- und Entwicklungsdynamik von BIM einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, hier ein Interview mit Burkhard Talebitari, Ernst & Sohn, der mit dem „Special: BIM – Building Information Modeling“ das erste BIM-Heft im deutschsprachigen Raum schuf und dieses seit über 10 Jahren redaktionell verantwortet. Ein Kenner des Marktes und seiner Entwicklung aus der Presse-Perspektive.

 

                                      

Lieber Herr Talebitari,

vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um mit uns über die spannende Welt von Building Information Modeling (BIM) zu sprechen. Wir freuen uns darauf, Ihre wertvollen Einblicke und Erfahrungen zu hören.

 

BE: Können Sie sich noch an die Veröffentlichung Ihres ersten BIM-Heftes erinnern? Was waren die Motivation und der Anlass für diesen damals sicher innovativen Schritt?

BT: Ach naja, „innovativ“? In der Presselandschaft vermutlich, ja. Aber das Thema BIM war ja auch 2013, als wir mit dem Heft begannen, nicht mehr so richtig neu. Auf gut Neudeutsch poppte es halt in der Baubranche up und da reizte es natürlich, im Blätterwald der „earlieste“ Adopter zu sein … Immerhin kann keiner dem Verlag Ernst & Sohn das Faktum streitig machen, sich des Themas mit einem eigenen Heft als erster angenommen zu haben. – Gab es damals Zweifel? Schon, aber das ist normal. Doch gab es zu meinem Glück einige in der Community, die sich auch für die Geburt des Projektes einsetzten, sowie mich thematisch unterstützen. Und da möchte ich Namen (in alphabetischer Reihenfolge) nennen: Jens Bredehorn (heute VRAME), Andres Damjanov (heute: Catenda), Philipp Dohmen (heute QAECY/Amberg), Michael Fritz (damals GF des BVBS), Uli Hartmann (heute freier BIM-Consultant), Andreas Kohlhaas (heute VSK-Software) und Johannes Reischböck (heute: Bechmann), gehörten zu den frühen Unterstützern. Später kamen noch viele dazu, die mich intensiv unterstützten und denen ich im 10. Heft 2022 meinen namentlichen Dank entbot.

Aber wissen Sie, das Schöne an der Arbeit mit dem Heft war und ist, dass es in gelebtem BIM entsteht, also in ziemlich rückhaltloser Kooperation (für mich nicht „Kollaboration“) und lebhafter Kommunikation – und das nicht sonntags zwischen zwei Buchsbäumen.

 

BE: Sind die damaligen Erwartungen eingetroffen? Bzw. wie hat sich der Markt und die Themen geändert?

BT: Hm, darüber ließe sich trefflich philosophieren. Das führte hier aber wohl doch etwas weit (lächelt). Vielleicht nur so viel: Michael Fritz überschrieb das erste Editorial im 2013er Premiere-Heft mit: „BIM ist keine Vision – BIM ist die Zukunft“. Und wenn mich nicht alles täuscht, zeigt der aktuelle Zustand der Branche, dass es Leute gibt, die diesen Satz (schon damals) nicht für diskutabel hielten, aber auch noch jene, die diese Zukunft noch heute nicht sehen – oder sehen wollen. Und warum das so ist, darüber streiten die Gelehrten – auch in unserem Heft bis heute. Was aber wohl wirklich nicht mehr diskutiert werden kann, ist die Tatsache, dass man etwa mit Ingenieurbüros oder den großen Bauunternehmen bei BIM nicht über ob, allenfalls über wie verhandeln kann. Bei den Architekten stellt sich mir das disparater dar, da gibt’s von den Nerds bis zu den Ignoranten noch ein weites Spektrum, wenn mich nicht alles täuscht. Bei den Bauproduktherstellern sähe ich das übrigens recht ähnlich, bliebe da aber doch ein wenig verrätselt zurück …

 

BE: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung? Und was würde aus ihrer Sicht helfen?

BT: Da muss ich schon (lächelt) auf meine Hochstaplerexistenz hinweisen. Meine Pressearbeit erlaubt mir natürlich, vieles zu hören und nachzuplappern. Aber wenn Sie die Meinung eines bescheidenen BIM-Papageis hören wollen: Auf der 6. IPA (Integrierte Projekt Abwicklung) Konferenz Anfang Juli hier in der Stadt (Berlin) traf man nicht wenige mit der These „Ohne IPA kein BIM“ an.

Was davon zu halten ist, möchte ich hier nicht entscheiden. Es wäre aber wahrscheinlich nicht schlecht, zu fragen, wer die Treiber beim IPA-Thema sind; und anmerken kann ich en passant, dass man von Büros und Generalplanern hört, die den Sinn einer Beteiligung ihrer Leute in frühen Leistungsphasen nicht recht einsehen. Die sollen Umsätze generierende Arbeit leisten und nicht irgendwo integrierend rumhocken, wo sie eigentlich nicht viel bis nichts zu tun haben. Ich spreche hier nicht von meiner Meinung, sondern eben – s. o. – als BIM-Papagei. Einen Punkt sollte ich hier aber noch klarziehen: Bis heute schlagen mir potenzielle Autoren zuweilen vor, doch einfach mal aufzuschreiben, wie in ihrem Unternehmen BIM implementiert wird. Da lehne ich dann – natürlich höflich … – dankend ab. Und wenn Sie bildungsbürgerliche bits and pieces hier erlauben (lächelt): Das lateinische „implementum“ meint das „Auffüllen“ und in der Medizin eine „krankhafte Auffüllung“. Darauf möchte wenig Segen ruhen. In gewisser Weise ließen sich BIM und Implementieren als Widerspruch in sich selbst betrachten. Übrigens überrascht es da nicht, dass die Büros, die die Zeichen der Zeit eventuell etwas früher deuten, anfangen Wirtschaftspsychologen einzustellen. BIM ist nun mal (lächelt) – ich wiederhole mich ungern – Kooperation und Kommunikation. Und bei letzterer bitte immer schön aufpassen, dass sie nicht Kommunikaze wird.

 

BE: Würden Sie das erste BIM-Heft heute in gleicher Weise angehen? Und wo sehen Sie das Erfolgsgeheimnis?

BT: Darf ich eine ehrliche und eine pragmatische Antwort geben? Bringen Sie beide? Die ehrliche: Niemals, „in gleicher Weise“ ist immer schon falsch, hat man in 13 Jahren nichts gelernt? Die pragmatische: Prinzipiell anders unter den bestehenden Verhältnissen wohl nicht. Und zum Erfolgsgeheimnis: Könnten Sie das eventuell mal gelegentlich unsere Autoren, die immer noch gern für das Heft schreiben und immer noch neu dazu kommen, fragen? – Und unsere Leser, wenn’s ginge, bitte auch.

 

BE: BIM ist ein neues Thema, auch für die Verlage. Wie kann ein Verlag unterstützen und wo sind die Grenzen bzw. was kann man auch falsch machen?

BT: Viel sorry – aber „neues Thema“, das möcht’ ich, wenn’s ginge, nicht so stehen lassen. Vor 13 Jahren wäre eine tibetanische Gebetsmühle beim immerwährenden Erklären der drei Buchstaben stark desiderabel gewesen. Die Zeiten sind heute nun wirklich vorbei und man bräuchte derzeit das famose Gerät wieder bei den drei Buchstaben CDE und IPA etwa. Und zur Rolle des Verlages: Der unterstützt das Thema in der Tat nicht wenig, indem er Autoren wirklich unzensierte Freiheit für Fachwissen und Meinungsäußerungen auf vielen Seiten gewährt. Da können sie die heißen Eisen thematisieren oder in die kalte Glutenkiste schmeißen – was überwiegend, aber absolut nicht nur, im vorderen Diskurs-Teil des Heftes stattfindet. Und ja: „Falsch machen“ kann man vieles, besonders wenn man glaubt, nichts falsch zu machen – aber dann hätte man sich ja auch schon der unabdingbaren Kommunikation entzogen … Eine selbstkritischere Antwortvariante wäre aber: Vielleicht liegt man bei der Themenauswahl nicht immer goldrichtig und vielleicht gälte es hier und da, Texte schärfer zu redigieren – doch da ist leider der Arbeitsalltag vor …

 

BE:Aktuell wird viel über KI gesprochen und mittlerweile auch praktiziert. Wo sehen Sie KI im Bereich der Wissensvermittlung?

BT: (Zögert kurz) Lesen Sie dazu bitte die zum Zeitpunkt dieses Interviews noch nicht feststehenden Seiten im Diskurs-Teil des aktuellen 24er Heftes, wo – ein, wie ich finde, immer spannendes Format – Autoren ein Essay zum Thema kommentieren – gelebter, zu lesender Diskurs eben. Und sehen Sie mir bitte nach, wenn ich hier keine eigene Meinung spendiere. Die würde nämlich vermutlich arg theoretisch bis philosophisch, in jedem Falle aber bedenklich ausfallen. Vielleicht doch so viel: Könnte es angehen, dass KI das erste Werkzeug (was kann Werkzeug nicht, was „tool“ kann?) der Branche ist, bei dem nicht mehr ganz klar ist, ob es nur auf den Umgang mit ihm ankommt?

 

BE: Haben Sie abschließend eine Empfehlung an die Leser? Vielleicht zu zukünftigen Entwicklungen oder anderen Handlungsfeldern?

BT: Als man Alfred Hitchcock ähnliches hinsichtlich der Jugend fragte, antwortete er: „Keep out of prison!“ – Wenn Sie die Antwort hier deplatziert finden – okay! Aber ersetzen sie „prison“ durch „Silo“, von mir aus auch „Tunnel“ – und dann kommt die ganze Chose schon ziemlich gut hin. Eine weitere Empfehlung aber (schmunzelt) kann ich mir doch nicht verkneifen: Lesen! Zukünftige Entwicklungen und Handlungsfelder bedürfen zuerst des Lesens (und eigentlich nicht nur der Fachliteratur), dann des Handelns – dafür machen wir die Arbeit, und das mit Freude.

 

BE: Wir hoffen, durch dieses Interview wertvolle Einblicke und Informationen über die Markt- und Entwicklungsdynamik von BIM dargestellt zu haben. Vielen Dank für Ihre Zeit.

BT: Der Dank geht an Sie!