Aus der Interview-Reihe „Nachgefragt“, Margo Mlotzek, MHKBD im Interview mit BIM-events.de zum Thema Vorbildcharakter BIM@NRW – Leitfäden, Status und wo es hingeht
BE: Sehr geehrte Frau Mlotzek,
vielen Dank für die Gelegenheit Sie für ein Interview gewinnen zu können. Sie sind im BIM Umfeld bereits bekannt. Vor allem in NRW natürlich. Damit sie nun alle Personen kennen lernen, bitten wir zunächst um ein paar einleitende Sätze. Wer sind Sie und was tun Sie?
MM: Im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD) verantworte ich seit mehreren Jahren die Implementierung von BIM in Nordrhein-Westfalen. Von Berufswegen her bin ich Architektin und Immobilienfachwirtin. Vor meiner Tätigkeit im Ministerium habe ich viele Jahre in Architekturbüros gearbeitet. Zu unseren Kunden zählten auch Projektentwickler mit einem ganzheitlichen Ansatz. Das passte gut zu meinem eigenen Anspruch immer wieder über den Tellerrand der HOAI-Phasen zu schauen. Deshalb sind mir alle Phasen im Gebäudelebenszyklus sehr gut bekannt, genauso wie die entsprechenden Belange der Auftrag gebenden, wie auch der Auftrag nehmenden Seite. Eine solche Konstellation passt gut zu BIM, denn sie hilft bei der Betrachtung unterschiedlicher Sachverhalte die richtige Flughöhe einzunehmen und den inter-disziplinären Ansatz konsequent zu verfolgen. Seit Anfang des Jahres leite ich die neu gegründete Stabstelle Digitalisierung und innovatives Bauen. Darin gehen das BIM-Competence-Center, abgekürzt BIM-CC sowie die Projektgruppe Innovatives Bauen auf. Wir bündeln somit unsere Kompetenzen, um unsere Unterstützungsmaßnahmen noch zielgerichteter zu adressieren.
BE: Sehr interessant und Glückwunsch zur neuen Stelle. Für die, die sich Ihre Rolle nicht richtig vorstellen können. Wie sieht so ein Alltag aus? Was sind Ihre konkreten Ziele und Aufgaben?
MM: Über Allem steht der politische Auftrag: die Vorreiterstellung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Implementierung von BIM. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat Frau Ministerin Scharrenbach im Jahr 2017 das BIM-CC im MHKBD ins Leben gerufen. Zum damaligen Zeitpunkt mussten wir feststellen, dass es keinerlei Informationen zu BIM für die öffentlichen Bauverwaltungen gab, dabei ist der Prozess der Auftragsvergabe essentiell beim Aufsetzen eines jeden BIM-Projekts! Also haben wir engagiert losgelegt und ein großes Netzwerk aus Expertinnen und Experten aufgebaut, das uns bedarfsweise auch heute berät. Wir führen regelmäßig Gespräche mit der gesamten BIM-Community, um auf dem Laufenden zu sein, um die Bedarfe rechtzeitig zu erkennen und die richtigen Maßnahmen einzuleiten.
BE: Und dabei spielen die Kommunen eine Rolle?
MM: Die Kommunen sind ganz klar unsere Zielgruppe. Mit einem breiten Portfolio aus Maßnahmen – Leitfäden, Schulungen, Veranstaltungen – unterstützen wir sie beispielsweise beim Aufsetzen einer kommunalen BIM-Strategie. Wir fördern Projekte und setzen dabei gezielt Schwerpunkte, wie interkommunales BIM-Management oder BIM im Betrieb. Unser Ziel ist dabei die Bereitstellung von Lösungswegen für breite Anwendbarkeit.
Dabei haben wir stets den gesamten Lebenszyklus von Immobilien im Focus. BIM spielt nun Mal die größten Mehrwerte in der Gebäudebewirtschaftung aus.
BE: Vielen Dank für die Ausführung. NRW ist für BIM und hohe BIM-Ziele in Deutschland bekannt. Man hat einen Führungsanspruch und andere Länder können von Ihnen sicher viel lernen. Sagen Sie uns bitte etwas über die Hintergründe und Ziele. Wie ist zudem der aktuelle Stand und welche Maßnahmen dürfen wir in nächster Zeit erwarten?
MM: Die Mehrwerte von BIM sprechen für sich. Sie erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Unser Auftrag liegt darin, die Kommunen vom BIM-Nutzen zu überzeugen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen 427 Kommunen, sie verfügen über einen hohen Immobilienbestand. Die Bewirtschaftung dieser Gebäude belastet die kommunalen Haushalte über Jahrzehnte. Mit BIM kann beispielsweise die Bewirtschaftung angepasst und optimiert werden. Zusammengefasst vergeben die Kommunen in Nordrhein-Westfalen die mit Abstand größte Zahl an Bauleistungen. Wenden Kommunen BIM an, so erfährt die Methode einen großen Schub. Unser Ziel ist daher die Kommunen mitzunehmen, auf ihrem Weg zur BIM-Implementierung.
Aktuell werden in Nordrhein-Westfalen über 30 Großbauprojekte des Landes BIM-basiert umgesetzt. Der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb gibt bei Baukosten ab 15 Millionen Euro BIM verpflichtend vor. Und auch eine Vielzahl nordrhein-westfälischer kommunaler Projekte wird BIM-basiert geplant: Schulen, Schwimmbäder, Verwaltungsgebäude und Feuerwehrwachen. Es werden immer mehr.
BE: Glückwunsch dazu. Und der nächste Schritt?
MM: Den nächsten Schritt gehen wir bereits, wir wollen den Baugenehmigungsprozess noch weiter digitalisieren und automatisieren. Unser Ziel ist der BIM-basierte Bauantrag. Zudem setzen wir uns für mehr Technisierung und Digitalisierung sowie den Einsatz von recycelten Baumaterialien auf unseren Baustellen ein.
BE: Sehr vielfältig also. Sie haben bereits einige Leitfäden herausgegeben, die auch für andere in Deutschland Vorbildcharakter haben. Ganz neu auch ein Update. Was hat es mit dieser Veröffentlichung auf sich und an wen richtet sich diese?
MM: Die Veröffentlichung ist die Fortsetzung der I. BIM-Handlungsempfehlung für die kommunalen Bauverwaltungen und die kommunale Gebäudewirtschaft, die sich mit der Fragestellung befasst: Wie starte ich mit BIM. Zu finden sind dort sämtliche Informationen zum Aufsetzen einer kommunalen BIM-Strategie oder Bestandteile von Vergabeunterlagen, wie beispielsweise eine große Auswahl an BIM-Zielen und BIM-Anwendungsfällen.
Die II. BIM-Handlungsempfehlung richtet den Fokus auf Nachhaltigkeit im Bau und im Gebäudebetrieb. BIM ist unser Werkzeug um Gebäude klimaschonend zu planen, zu bauen und zu betreiben. Die in den BIM-Modellen enthaltenen Informationen sind die Ausgangsbasis für nachhaltige Entscheidungen während der Planungs- und Realisierungsphase sowie für einen umweltschonenden Umgang mit Ressourcen. BIM kann dabei helfen den Gesamtenergieverbrauch zu senken oder den CO2-Fußabdruck eines Gebäudes zu minimieren. Die II. BIM-Handlungsempfehlung bietet jede Menge Hinweise und Informationen zum Einsatz von BIM zugunsten einer nachhaltigen Planung oder Gebäudebewirtschaftung. Beispielsweise beschreiben wir darin BIM als Werkzeug zur Unterstützung von Nachhaltigkeitszertifizierungen und vertiefen den BIM-Anwendungsfall „Nachweis der Ökobilanz“.
Dabei gilt, die BIM-Ziele müssen frühzeitigt festgelegt und konsequent verfolgt werden. Beispielsweise bietet die frühzeitige Einbeziehung der Betriebs- und Nutzungsphase in die Bedarfsplanung, die ideale Möglichkeit den Gebäudelebenszyklus mit Blick auf die Gesamtkosten und die Energieeffizienz einer Immobilie zu optimieren und zu steuern.
BE: Sehr spannend. Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesen Leitfäden und können ggf. auch private Unternehmen dadurch profitieren?
MM: Für Kommunen bilden unsere Leitfäden eine Grundlage für die strategische und organisatorische Einführung von BIM innerhalb einer kommunalen Bauverwaltung. Sie sind eine große Hilfe beim Aufbau von kommunalen Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA). In der Schulung BIMKommunal lernen die Teilnehmenden diese Informationen anzuwenden und sie in die Praxis zu transferieren. Hier ist die Nachfrage groß, wir sind aktuell im neunten Durchlauf.
BE: Ich verstehe. Wie kommt das in die Praxis?
Die Beauftragung von BIM-Leistungen steht am Anfang jedes BIM-Projektes. Dabei legt die Auftrag gebende Seite fest, welche BIM-Ziele mit Hilfe welcher BIM-Anwendungen sie im Planungsprozess erreichen möchte. Sie gibt damit quasi ein BIM-Leitbild für jedes Projekt vor. Und BIM ermöglicht es erstmalig den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie in den Fokus zu nehmen. In den Leistungsbildern von Architektinnen und Architekten oder Ingenieurinnen und Ingenieuren sind die Phasen des Betriebs oder der Nutzung nicht abgedeckt. Private Unternehmen sind deshalb herzlich eingeladen, sich vorab mit diesen Informationen zu befassen, um sie im Planungsprozess entsprechend zu berücksichtigen. Im Allgemeinen ist es immer sehr hilfreich mal die Perspektive zu wechseln, um die Ziele der anderen Seite besser zu begreifen.
Wer in Nordrhein-Westfalen für die öffentliche Hand baut, benötigt Kenntnis über die kommunalen Rahmenbedingungen und Anforderungen. Mit unseren Leitfäden setzen wir Standards und laden alle Kommunen dazu ein, diese bei der Vergabe von Planungsleistungen zu berücksichtigen.
BE: Danke. Zu einer weiteren Maßnahme gehört die Veranstaltungsreihe KOBIM. Können Sie uns etwas dazu sagen?
MM: Die Veranstaltungsreihe KOBIM steht unter der Schirmherrschaft von Frau Ministerin Scharrenbach und richtet sich vorwiegend an die Kommunen. Hier bilden Workshops den Schwerpunkt und damit steht ein gemeinsamer Austausch im Vordergrund. Dabei werden stets aktuelle BIM-Themen mit Praxisbezug behandelt. Die Reihe gastiert an Veranstaltungsorten in ganz Nordrhein-Westfalen, um möglichst viele Kommunen zu erreichen. Die Veranstalter verfügen über eine umfangreiche BIM-Expertise, beispielsweise sind sie die Ersteller des vom MHKBD herausgegebenen BIM-Qualifizierungsleitfadens.
BE: Sehr interessant. Zum Abschluss noch eine Frage: Was ist Ihr Wunsch für das neue Jahr?
MM: Wir müssen dazu übergehen BIM flächendeckend anzuwenden und das über alle Disziplinen und Lebenszyklusphasen hinweg. Die Erfahrungen zeigen, dass bei großen kommunalen Bauvorhaben entsprechende BIM-Kompetenz auf der planenden Seite vorhanden ist, anders verhält es sich bei Bauprojekten kleineren Umfangs. Hier sind zumeist die kleinen Gemeinden im Nachteil, da sie BIM-versierte Planerinnen und Planer selten finden.
Es wäre eine große Errungenschaft festzustellen, dass die Zahl der Unternehmen die auf BIM umstellen in diesem Jahr deutlich zunimmt. Denn die öffentlichen Bauherrinnen und Bauherren brauchen qualifizierte Partnerinnen und Partner an ihrer Seite, um ihre Baumaßnahmen effektiv, effizient, kostensparend und terminsicher umsetzen zu können. Das geht nur mit BIM.
BE: Vielen Dank für Ihre Zeit.
MM: Ich danke Ihnen.