Woher kommen die Parameter in den Produktdaten? Eine britische Antwort
Konrad Stuhlmacher
Bauproduktdaten sollen genormt werden, heißt es hier [1], dort spricht ein Professor über „Die Bedeutung von Produktdaten für Building Information Modeling“ [2], da möchte eine Herstellerinitiative die digitalen Prozesse vorantreiben, indem sie die praxisnahe Implementierung von digitalen Herstellerinformationen sicherstellt [3], und wiederum an anderer Stelle bringt ein Verlag ein Sonderheft zum Thema heraus [4].
Links
- DIN: Akuter Normungsbedarf für Building Information Modeling
- buildingSMART Deutschland: Bedeutung von Produktdaten
- products for BIM: Herstellerinitiative Bauprodukte digital
- Bauprodukte als eigenes Thema der Digitalisierung: Bauprodukte digital
- BS/PAS 1192-Reihe: Normen/Standards als Gerüst für BIM-Level 2 (englisch)
- Definition von Produktdaten: Stand der Arbeiten an der PAS 1192-7 (englisch)
- BIM Task Group: Technische Spezifikation (pdf; englisch)
- BIM Task Group II: Geschichte (englisch)
- Wikipedia: Das Missverständnis als kommunikative Störung
- Normen für handelbare Bauprodukte: Harmonisierte Europäische Normen
- Arbeitsanleitung GAEB: Gemeinsame Sprache als Grundgedanke (pdf)
- Partner der DIN SPEC 91400: CAFM-Ring (u. a.)
- BIMobject: Wie sollen BIM-Objekte der Industrie angeboten werden? (pdf; englisch)
- Version 2: NBS BIM Object Standard (englisch)
Als Unterbau für die Einführung von und das Arbeiten mit BIM wurde in Großbritannien die Normen- bzw. Standards-Reihe 1192 aufgesetzt [5]. Auch zum Thema Produktdaten war ein Teil, nämlich PAS 1192-7, in Vorbereitung [6]. Als Basis diente eine Technische Spezifikation (TS) [7] der BIM Task Group [8].
Genau die möchte ich mir heute genauer anschauen.
„Missverständnis ist eine kommunikative Störung, die aus dem Differenzwert zwischen dem Gemeinten eines Senders und dem Verstandenen beim Empfänger besteht.“ [9]
Sowohl für persönliche Gespräche als auch für einen computergestützten Informationsaustausch ist es also wichtig, dass dieser Differenzwert so gering wie möglich ausfällt, dass also der Austausch auf einer gemeinsamen und zweifelsfreien Sprache basiert. Eine Standardisierung von Produktdaten – wie von der TS beschrieben – legt genau dafür die Grundlage.
Bei der TS „Definition von Produktdaten“ (product data definition) geht es nicht um das Festlegen von Produktdaten an sich, sondern um den Prozess dorthin, die involvierten Parteien und die dafür als notwendig erachtete Qualitätssicherung.
Priorisierte Quellengruppen
Normen/Standards stellen Regeln für Konformitätsprüfungen auf, legen Parameter und Werte fest, denen z. B. Bauprodukte genügen müssen. Man kann also sagen, dass diese Regelwerke Inhalte festlegen, die abgefragt werden können. Die Autoren der TS machen sich genau das zunutze und ziehen daher Normen/Standards, allen voran die harmonisierten Europäischen Normen (hEN) [10] als Quelle für mögliche Fragestellungen, also für möglicherweise abzufragende Parameter heran. Mit abnehmender Priorität können auch Industriestandards oder auch kundenspezifische Parameterlisten als Quelle benutzt werden. Aus diesen Informationensätzen können dann Parameter für ein anerkanntes und gepflegtes Wörterbuch extrahiert werden.
Unverwechselbare Parameter
Um also in dieses Wörterbuch aufgenommen werden zu können, müssen diese Unverwechselbaren Parameter (unique parameters) in mindestens einem Informationensatz (information set) aus anerkannter priorisierter Quelle vorkommen und mit einem Elementaren Merkmal (core property) eines offenen Datenaustauschstandards (wie z. B. IFC) assoziiert werden können.
Mustervorlagen für Produktdaten
Wenn von zuständigen Autoritäten anerkannt, können die Unverwechselbaren Parameter somit für Mustervorlagen für Produktdaten (product data templates) herangezogen werden.
Nach der TS sollen nicht nur die Unverwechselbaren Parameter, sondern auch die Informationensätze und die Mustervorlagen für Produktdaten von Institutionen vorgehalten und gepflegt werden.
Auf die Übersetzung in die Welt der Informatik und damit auf eine Verbindung zu Bauinformationsmodellen im Allgemeinen und zu den bauproduktspezifischen BIM-Objekten im Speziellen geht die TS nur ansatzweise (s. Assoziation mit Elementaren Merkmalen) ein, und verweist auf Folgendes:
„… der notwendige Informationsaustausch spielt sich in der virtuellen Welt des offenen Datenaustausches ab, womit sich die meisten nicht beschäftigen müssen, die auf die eine oder andere Weise am Lebenszyklus eines Produktes oder einer Anlage beteiligt sind.“
[TS „Definition von Produktdaten“]
Mit den im Wörterbuch vorgehaltenen und gepflegten Unverwechselbaren Parametern können Mustervorlagen erstellt und den Produktherstellern angeboten werden, mit Hilfe derer diese wiederum die Informationen zu ihren Bauprodukten an die Beteiligten weiterreichen können.
Das Regelwerk sieht zudem vor, dass die Mustervorlagen auch Informationen darüber beinhalten müssen, wer letztendlich die Paramterwerte bereitstellen wird.
Bauprodukthersteller als Informationslieferant
Bauprodukthersteller leisten – fast schon selbstredend – ihren Teil am Projekt damit, dass sie das Bauprodukt produzieren. Darüber hinaus können Sie aber für das „Digitale Bauen“ auch Informationen zu ihrem Produkt zur Verfügung stellen, ob die nun grafischer oder alphanumerischer Natur sind.
Lebenszyklus eines Bauprodukts
Die TS geht auch auf den Lebenszyklus von Bauprodukten ein und sieht vier Stufen: Produktion (production), erhältlich (obtainable), Anwendung (application) und installiert (installed). Die wichtige Stufe des Abrisses wird ausgelassen.
Die Unverwechselbaren Parameter werden mit IFC-Merkmalen, den sogenannten Elementaren Merkmalen, verknüpft. Wenn man sich das buildingSMART-Logo anschaut, so bildet auch dieses – jedoch ohne Produktion und auch ohne Abriss – den Lebenslauf einer Anlage bzw. eines Bauproduktes ab: Entwurf (design), Ausschreibung – Vergabe – Abrechnung (procure), Bau (assembling) und Betrieb (operate). Die Ringe oder Kettenglieder sind im Logo eng miteinander verbunden, was die enge (inhaltliche) Verknüpfung zwischen den Lebenszyklusphasen unterstreicht.
Wenn man dies auf die (Elementaren) Merkmale bezieht, so kann man sich vorstellen, dass es Merkmale gibt, die nur für einen Lebenszyklusabschnitt, im anderen Extrem aber auch solche, die für den gesamten Lebenszyklus von Bedeutung sind.
„Produkt-DNA – produktinhärente Informationen, die im Laufe des Lebenszyklus des Produktes oder der Anlage immer umfangreicher werden.“
[TS „Definition von Produktdaten“]
Die Verschlankung von abfragbaren Informationen auf die Elementaren Merkmale in den BIM-Objekten ist ein interessanter Schritt. Die Priorisierung der Quellen, aus denen die Unverwechselbaren Parameter abgeleitet werden, ein weiterer.
Aber die Frage bleibt, ob ein Produkthersteller seinen BIM-Objekten eigentlich gleich zu Beginn alle zur Verfügung stehenden Informationen (in Form von Elementaren Merkmalen) mitgeben sollte, um alle erdenklichen Abfragen im gesamten Lebenszyklus abzudecken? Insbesondere dann, wenn man sich noch nicht so klar darüber ist, ob ein BIM-Objekt im Lauf der Entwicklung ausgetauscht werden kann bzw. soll.
Deutschland
Nachdem das Britische Normeninstitut das Projekt zunächst auf Eis gelegt hat (s. auch [6]) bleibt abzuwarten, wie es in Sachen PAS 1192-7 in Großbritannien weitergeht.
Es heißt, dass man mit den Pfunden wuchern soll, die man hat. Also schauen wir doch einmal nach, was Deutschland für die Zutaten schon zu bieten hat, die in dieser TS definiert sind:
Als Zuständige Autorität berücksichtigt der GAEB schon seit Anfang der 1970er Jahre in seinen Ausschreibungstexten die gemeinsame Sprache aller am Bau Beteiligten [11] legt dabei Quellengruppen wie die ATV der VOB und (Internationale, Europäische und Nationale) Normen zugrunde. Aufbauend auf STLB-Bau legt die DIN SPEC 91400 Bauteile mit Beschreibungsmerkmalen (>> Unverwechselbare Parameter) und (!) deren Werte/Ausprägungen fest, mit denen Hersteller ihre Bauprodukte in Mustervorlagen beschreiben und Anwender die entsprechenden BIM-Objekte in Bauinformationsmodellen attribuieren können. Dies führt dazu, dass mit den Informationen aus auf diese Weise „bestäubten“ Bauinformationsmodellen Leistungsbeschreibungen (einschl. Qualitäten und Mengen) und mit den entsprechenden Kostenansätzen auch Einzelkosten der Teilleistungen abgeleitet werden können.
Diese Vorgehensweise wirkt der Informationsscheffelei entgegen. Mit der DIN SPEC 91400 werden BIM-Objekte attribuiert, mit denen dann dazugehörige externe Informationen (s. STLB-Bau etc.) abgerufen werden können.
Zu den Autoren der DIN SPEC 91400 gehörte auch der CAFM-Ring [11]. So ist auch vorstellbar, dass zukünftig Leistungstexte zu FM-Leistungen mit der DIN SPEC 91400 verknüpfbar sind. Ob es hierfür notwendig sein wird, die Bauteile/-produkte zu anfangs bereits etwas umfangreicher zu beschreiben (s. z. B. die Essentiellen Eigenschaften der harmonisierten Europäischen Normen (hEN); s. auch [10]) bleibt abzuwarten.
Deutschland hat also bereits ein System zur Definition von Produktdaten, das darüber hinaus flexibel genug ist, um auf andere Phasen des Lebenszyklus‘ einer baulichen Anlage erweitert zu werden.
Wenn man an BIM-Objekte denkt, so kommt man schnell auf den privatwirtschaftlichen Dienst BIMobject oder auch auf die britische NBS National BIM Library. Beide haben in letzter Zeit Anleitungen für BIM-Objekte veröffentlicht [13] oder aktualisiert [14]. Da wäre es doch einmal interessant, der Frage nachzugehen, wie diese Anbieter mit dem Thema Standardisierung der Parameter und deren Werte umgehen. Aber das ist Thema für einen weiteren Blogeintrag.
Es bleibt spannend! Schauen Sie doch einfach mal wieder vorbei! Oder machen Sie es sich einfach, abonnieren Sie meinen Blog und empfehlen ihn weiter! Gerne höre ich von Ihnen und empfange Ihre Bewertungen (s. u.)!
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin!
Konrad Stuhlmacher